18.11.24
Die Stiftung Kunstfonds formuliert: „Erst in diesem Jahr wurde die Bundesförderung für die Stiftung Kunstfonds auf 5,25 Mio. Euro erhöht. Knapp ein halbes Jahr später macht die Bundesregierung jedoch eine Kehrtwende: Die von der Bundeskulturbeauftragten (BKM) zugesprochenen Kunstfonds-Mittel sollen im nächsten Jahr fast halbiert werden. Diese Kürzung hätte drastische Folgen für das Kunstfonds-Förderprogramm – und somit auch für die bundesweite Szene der bildenden Kunst. Publikationsförderung und Soloprojekte würden gar nicht mehr gefördert werden, Plattformen nur noch zu 1/3. Mit den geplanten Kürzungen missachtet die Bundesregierung die im Koalitionsvertrag vereinbarte Stärkung der „Bundeskulturfonds als Innovationstreiber“. Sie ignoriert sämtliche Erkenntnisse aus den Pandemiejahren vollständig, welche insbesondere die Fragilität des Kunstbetriebs aufgezeigt haben. Die in der Krise schmerzlich vermisste gesellschaftliche Rolle einer lebendigen Kunstszene scheint vergessen. Alle erst vor wenigen Monaten gestarteten Maßnahmen zur systemischen Stärkung der Kunstszene wären vergebens, jegliche Investition vergeudet.“¹
Wenn die Kürzungen der Bundesförderung kommen, dann werden die sowieso schon schwer umkämpften Arbeitsstipendien der Stiftung Kunstfonds noch weniger Künstler*innen erreichen. Länder und Kommunen werden das kaum ausgleichen können und haben teilweise bereits selbst Sparmaßnahmen angekündigt. In Berlin sollen 10% im Kulturhaushalt eingespart werden“², in München wurden 9% angekündigt, und das obwohl der Kulturetat der Landeshauptstadt München mit 285 Millionen nur 3% des Gesamthaushaltes (8,8 Milliarden) darstellt. In den letzten Jahren wurden die Budgets für die freien Szenen noch vor Sparmaßnahmen geschützt, nun aber lässt der Kulturreferent durchblicken, dass dies 2025 wohl nicht mehr haltbar sein wird³. Das Budget für die freien Akteur*innen und Projekte aber ist der geringste Bruchteil des sowieso schon kleinen Kulturetats der Landeshauptstadt München.
Ein weiteres Opfer der Sparmaßnahmen stellt die PLATFORM München dar. Die 23 Ateliers, in denen 40 Künstler*innen arbeiten, sowie die Halle als Ausstellungs- und Veranstaltungsort sollen künftig so nicht mehr weiter existieren, lediglich die PLATFORM als Büro und Institution soll erhalten bleiben. Zu den vorerst letzten Offenen Ateliertagen wurde angekündigt: “Die Kunstszene hat es satt! Und es reicht! Die Gruppenausstellung trägt den Titel „SATT“. Sie thematisiert die wachsende Frustration andauernde Bedrohungslage künstlerischer Initiativen. Kunst- und Kulturschaffende sind ständig mit Existenzängsten konfrontiert. Sie müssen sich ihre Rechte und Räume immerzu neu erkämpfen. Wie lange soll der Status quo noch andauern, bis die Künstler*innen genug davon haben?”
Auch die Münchner Artothek wird in den nächsten Jahren um ihre Ausstellungsfläche ärmer, der Kunstverleih findet eine Zwischennutzung während der Bauarbeiten im Stadtmuseum, der Ausstellungsraum findet bisher keinen Ersatz. Auch diese Faktoren werden die Sichtbarkeit der Bildenden Kunst in München verringern.
Die Sparmaßnahmen werden, wie der Kunstfonds bereits richtig formuliert, ebenso viele Errungenschaften der letzten Jahre zunichte machen. Die verbindliche Zahlung von Honoraren, Chancengleichheit für Frauen und Diversität bei den Projekten werden nicht mehr umsetzbar sein. Die Kunst- und Kulturszene Münchens wird wieder um einige Akteur*innen ärmer werden, denn Künstler*innen und viele Bereiche des Kunstbetriebs werden diese Kürzungen nicht kompensieren können, die Gefahr der Abwanderung in andere Bereiche und der Schließung von Ausstellungsorten ist groß. Die Pandemie hat die Problematik bereits aufgezeigt, denn Künstler*innen und vor allem auch kleinere Projekträume und Initiativen können kaum Rücklagen bilden um Alter, Krankheit oder Verdienstausfall abzusichern. Sie leben größtenteils prekär⁴ und vor allem in den Städten auch meist unter der Armutsrisikoschwelle⁵. Ihnen zahlt niemand einen Inflationsausgleich oder einen München Zuschlag. Dennoch gehen sie ihrer Tätigkeit intrinsisch nach, verhandeln mit ihren Arbeiten wichtige Themen unsere Zeit und schaffen damit einen Diskursraum, der an vielen verschiedenen Stellen in der Stadt Orte schafft, die Begegnungen und Austausch möglich machen. Ein diverser Kunst- und Kulturbetrieb ist eine der wichtigsten Säulen unsere Demokratie und gerade in dieser Zeit wo politische Tendenzen die Demokratie bedrohen, notwendiger denn je!
Auch der BBK München und Oberbayern musste in diesem Jahr bereits seine langjährigen Förderprogramme umstellen, nachdem das Land Bayern die Debütantenförderung fortan nur noch direkt über die Kunstakademien München und Nürnberg vergeben lässt. 40 Jahre lang konnten wir junge Künstler*innen mit der Debütantenförderung in der Galerie der Künstler*innen mit einer ersten großen Einzelausstellung und einer Katalogproduktion unterstützen und einem breiten Publikum vorstellen. Jetzt können wir das nicht mehr⁶.
Zudem hat die LFA Förderbank Bayern ihre Bezuschussung von Katalogproduktionen eingestellt und viele Künstler*innen stehen nun vor der Herausforderung, dass sie keine Gelder mehr für die so wichtigen künstlerischen Publikationen beantragen können.
Uns als Verband haben in den letzten Jahren ebenso die bereits sehr geringen und kaum erhöhten Förderbudgets belastet. Wir konnten die Inflation für unsere Mitarbeiter nicht ausgleichen und auch die Honorare für Künstler*innen nicht aufstocken. Wir mussten Rücklagen aufbrauchen und dürfen als Verband auch keine größeren Rücklagen bilden. Zudem sind im Verband neben inzwischen fast 20 Angestellten auch ca. 60 Mitglieder ehrenamtlich und unbezahlt in Gremien tätig. Doch ein Ehrenamt muss man sich leisten können. Werden sich weiterhin Künstler*innen engagieren, wenn künftig von vielen Stellen keine Fördergelder mehr für ihre Kunstprojekte kommen?
Das bereits entstandene Loch zu stopfen, stellt den BBK München und Oberbayern vor eine enorme Herausforderung. Wir versuchen aktuell mit einer privatwirtschaftlich aufgestellten Förderstruktur unsere neuen Fördermodelle „Generationenpreis“ und „Förderpreis“ zu finanzieren. Doch privatwirtschaftliche Akquise bedeutet viel ehrenamtliche unbezahlte Arbeit und eine genaue Überprüfung von potentiellen Partner*innen. Wir als Verband können dies nur bedingt leisten und die Gefahr der Übertragung von privatwirtschaftlichen Interessen auf die noch freie Kunst gilt es zu verhindern.
Neben den angekündigten Kürzungen in den Kulturhaushalten sind die angekündigten Umstellungen bei den öffentlich rechtlichen Sendern bedenklich und dringend zu stoppen. Der Bayerische Rundfunk hat sein Programm bereits umgestellt und mehrere Kultursendungen aus dem Programm genommen. Derzeit steht zur Debatte, dass von zehn Kanälen die im Schwerpunkt Kulturprogramm zeigen drei bis sechs wegfallen, dies betrifft unter anderem 3sat⁷. Doch wenn fortan weniger über Kunst- und Kultur berichtet wird, wenn die Budgets gekürzt werden und weniger vielfältige Projekte an weniger vielfältigen Orten statt finden, wenn weniger Publikationen aus der Kunst verlegt werden – so finden wichtige Themen und Diskurse immer weniger Wege in die Öffentlichkeit und erreichen kein breites Publikum mehr. Kunst und Kultur werden damit weniger sichtbar und auch der Bildungsauftrag nicht mehr eingehalten. Wir schlittern dann in eine weniger informierte und weniger aufgeklärte Gesellschaft, was in Anbetracht der aktuellen politischen Entwicklungen ein großer Fehler wäre.
Der Vorstand des BBK München und Oberbayern
Offener Brief des BBK München und Oberbayern als PDF
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