Der BBK München und Oberbayern schlägt Alarm – Raum für Kunst wird in München unbezahlbar oder fällt gleich ganz weg!
29.12.25
Mit Ende des Jahres 2025 wurde der Standort der PLATFORM München in der Kistlerhofstraße aufgeben.
Das Büro und der Ausstellungsraum sind umgezogen, die 24 Ateliers, in denen 40 Künstler*innen arbeiten, werden ersatzlos gestrichen. Das Referat für Arbeit und Wirtschaft spart durch die Aufgabe der Ateliers, die Verkleinerung des Qualifizierungsbüros und der Ausstellungsflächen ab dem Jahr 2026 ca. 200.000 € jährlich ein. Die PLATFORM als Institution war mit diesen Ateliers 15 Jahre lang eine feste Instanz für Kunst und Kultur im Münchner Süden. Um Kunstquartiere und -orte auch dezentral in den Stadtteilen zu schaffen und zu etablieren, war diese Institution ein Vorzeigemodell. Aber auch das Konzept des Qualifizierungsprogramms für Kulturmanagerinnen und- manager, in gemeinsamen Räumlichkeiten mit gemeinsamen Veranstaltungen zu organisieren, hat zu wertvollen Synergieeffekten geführt, die der Verantwortung des Referats für Arbeit und Wirtschaft für das künstlerische und kulturelle Schaffen gerecht wird. Nun müssen 40 Künstlerinnen und Künstler neue, bezahlbare Räume finden.
Vorläufige Lösung für Künstlerinnen und Künstler im Kreativlabor zu den Änderungskündigungen mit Mieterhöhungen!
Im September wurde den Nutzerinnen und Nutzern im Kreativlabor auf dem Kreativquartier gekündigt. Allerdings bietet die MGH (Münchner Gewerbehöfe) als Trägerin und Tochtergesellschaft der Landeshauptstadt München eine Wiederanmietung ab 2026 zu deutlich erhöhten Preisen an. Schon seit über drei Jahren entwickeln die Nutzerinnen und Nutzer mit der Politik und mit dem vorrangig involvierten Kulturreferat Konzepte, um den Nutzungsmix aus Kunst, Kultur, Bildung und Sozialem auch nach der Vereinheitlichung einer Miethöhe zu erhalten. Es wurde noch keine Lösung in einer schwierigen Gemengelage gefunden, die zum einen aus dem wirtschaftlichen Auftrag der MGH besteht, zu marküblichen Preisen vermieten zu müssen und zum anderen die Förderrichtlinien des Kulturreferats in einem neu entwickelten „Bottom Up“-Konstrukt einzuhalten. So wurden jetzt Tatsachen geschaffen, die den gesamten Prozess in Frage stellt, in den unendlich viel ehrenamtliche Zeit investiert wurde. Viele Initiativen thematisieren und kritisieren dieses Vorgehen. Es gibt Unterstützung von Verdi¹, #MünchenIstKultur und vielen anderen Verbänden. Zu den Open Studios im Kreativlabor am 29. November wurde eine Protest-Prozession initiiert und eine Petition² ins Leben gerufen.
Als gangbaren Ausweg, um doch noch das kreative Schwungrad „Labor“ durch eine gedämpfte Miete für alle zu erhalten und auch weiter zu entwickeln, sieht die Nutzer*innenschaft eine Satzungsänderung der MGH, die verbilligte Mieten für die Förderung von Kunst und Kultur grundsätzlich zulässt. Dazu kam dieses Thema noch einmal am 17. Dezember in die Vollversammlung³ des Münchner Stadtrats. Es wurde dankenswerter Weise vom Stadtrat beschlossen, die Mieten sofort einheitlich zu dämpfen und zwar um 50% der netto Kaltmiete. Das ist eine provisorische Lösung die Zeit verschafft, um im Jahr 2026 nun die Rahmenbedingungen endlich für das gesamte Quartier so festzulegen, dass der Nutzungsmix aus Kunst, Kultur, Bildung und Sozialem langfristig durch leistbare Mieten gesichert wird. Aber auch das wird weiter ein langwieriger Prozess bleiben in der schwierigen Gemengelage. Daher geht der Dank auch an alle anderen, die sich mit langem Atem engagieren, um das Labor zu einem Leuchtturmprojekt zu entwickeln und Raum für Kunst in München zu sichern: den Künstlerinnen und Künstlern. Haltet durch!!!
Ein Blick auf das kommende Jahr 2026 trübt die Aussichten auf mehr Raum für Kunst, denn auch weitere Orte und wichtige Schaufenster der Kunst, wie der Ausstellungsraum Bildersaal der Artothek im Rosenthal, als auch die Rathausgalerie im Münchner Rathaus müssen in Interimsräumlichkeiten unterkommen, die weniger Sichtbarkeit und Möglichkeiten für die Bildende Kunst bereithalten. Eine Rückkehr in die angestammten Räumlichkeiten muss hier garantiert werden!
Ende September endet ebenso die Zwischennutzung Fat Cat im ehemaligen Gasteig und die Nutzer*innenschaft, bestehend aus Musiker*innen, Künstler*innen, soziokulturellen Akteur*innen und Spielstätten verschiedener Art, kann sich ebenso auf die Suche nach neuen Räumen machen, wie das Köşk⁴, der Projektraum des Kreisjugendrings, das nachdem der Standort im Westend wegen Abriss und Neubau aufgegeben werden musste, verstetigt wurde und in der Schillerstraße 38 unterkam. Auch hier gibt es keine Zukunft für diesen wichtigen soziokulturellen Ort.
Raum für Kunst könnte geschaffen werden in vorhandenen oder kommenden Leerständen im Stadtgebiet!
Auch wenn Zwischennutzungen nur kurzfristige Lösungen für die Raumknappheit anbieten und sich Künstlerinnen und Künstler oftmals dort eher ausbeuten um dann wieder ohne Raum zu sein, bleiben sie doch ob des Mangels weiter wichtig für Kunst und Kultur in der Stadt. So könnte beispielsweise das Strafjustizzentrum in der Nymphenburger Straße, das im Besitz des Landes Bayern ist, nach dem Auszug der Justiz umgenutzt werden. Ebenso könnten im BR-Studiobau mit Hochhaus in der Bayerstraße oder auch in der ehemaligen Produktionsstätte der Bäckerei Rischart in der Buttermelcherstraße 16 Räume für Kunst bereitgestellt werden. Für letzteres fordert der Oberbürgermeister Reiter zum Jahresbeginn ein tragfähiges Nutzungskonzept zu entwerfen⁵.
In Anbetracht weiterer angekündigter Kürzungen, die vor allem im Kulturhaushalt überproportional hoch ausfallen sollen, bleibt unklar, mit welchen Mitteln vor allem die freien Szenen aller Sparten ihre Projekte und ihr Leben finanzieren soll. Doch Kunst und Kultur sind eine wichtige Säule für unsere freiheitlich demokratische Gesellschaft, und das sollte auch in Anbetracht der anstehenden Kommunalwahlen am 8. März 2026 berücksichtigt werden. Die neu gewählte Stadtregierung wird dann über die Zukunft der Künstler*innenschaft weiter entscheiden.
Kulturbeirat für die Landeshauptstadt München beschlossen!
Wir steuern sehr schwierigen Zeiten entgegen, gesamtgesellschaftlich und im künstlerisch-kulturellem Bereichen noch mehr. Ein Lichtblick ist der nun auch beschlossene Kulturbeirat für die Landeshauptstadt München. Als Expertengremium soll dieser mit Politik und Verwaltung sparten- und referatsübergreifende Problematiken aus Kunst und Kultur bearbeiten und Lösungsvorschläge anbieten. Wir sind dankbar für dieses wertschätzende Zeichen aus dem Rathaus für unser aller Expertise und bauen auf eine gute und wirkungsvolle Zusammenarbeit des Kulturbeirats.
Corbinian Böhm und Gabi Blum
für den Berufsverband Bildender Künstlerinnen und Künstler München und Oberbayern e.V.
¹ https://bayern.verdi.de/presse/pressemitteilungen/++co++24a54254-d69f-11f0-b361-e1951044e913
² https://innn.it/kuenstlerinnenkreativquartier
³ https://stadt.muenchen.de/infos/stadtrat-live.html
⁴ https://www.koesk-muenchen.de/
⁵ https://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen-fat-cat-umzug-gaertnerplatzviertel-idee-oberbuergermeister-strafjustizzentrum-li.3355115