Eröffnung
Sonderöffnung: 09.03.2021 12 - 19 Uhr Begrüßung: Torsten Mühlbach (Künstler & Kurator) Einführung: Alexander Steig (Vorsitzender des BBK München und Oberbayern)
Künstler*innen
Amnesty International Katrin Blohmann DTLV Doom Stefano Giuriati Andreas Höhne Anuk Jovovic Torsten Mühlbach Gabriele Obermaier Gregor Passens Susanne Schütte-Steinig Sophia Süßmilch Venske & Spänle Moritz Walser Bruno Wank Guido Weggenmann Zentrum für politische Schönheit vom Kunstverein Positive Propaganda e.V. zur Verfügung gestellte Arbeiten von den Künstler*innen: ESCIF Eugenio Merino No Name Peter Kennard Shepard Fairey
Kuration
Torsten Mühlbach
Mit der WEAPON ART FAIR besetzt erstmals eine Ausstellung die historischen Räume der Galerie der Künstler*innen, deren teilnehmende Künstler*innen und Institutionen sich in über 20 Werkbeiträgen einem Thema widmen, das die Menschheit als Dauerplage begleitet: gewaltsame Konfliktlösungsversuche mit Hilfe jeweils aktueller, um nicht zu sagen „zeitgenössischer“ Waffentechnik.
Eine Waffen-Kunst-Messe in München, zwischen Landesregierung und Staatskanzlei? In der Stadt, die, wie jüngst wieder geschehen, seit 1963 die Sicherheitskonferenz jährlich beherbergt? In der Landeshauptstadt, in deren Freistaat gut 70 Rüstungsfirmen und deren Zulieferbetriebe „Dinge“ produzieren, mit denen Kriege verhindert bzw. befriedet, aber eben auch geführt werden? In der Stadt, die sich selbst das Prädikat „Hauptstadt der Bewegung“ verlieh, deren brutale, menschenverachtende faschistische Gewaltherrschaft den größten Zivilisationsbruch des 20. Jahrhunderts zu verantworten hat? Genau hier liegt der Ort dieser überfälligen Schau, die untersucht, wie Waffen auch außerhalb konfliktbesetzter Handlungen in die Gesellschaft ein- und aus ihr herauswirkt. Eine gute Lage scheint hier im Herzen der Metropole gefunden oder gewählt worden zu sein, auch in Bezug auf die direkte Nachbarschaft zum „Museum Fünf Kontinente“, dem ersten ethnologischen Museum Deutschlands, das ein historisches Fenster in die Kulturen der Welt öffnet, einen friedlichen, interkulturellen Brückenschlag anbietet, dessen Sammlung aber nicht allein durch friedlichen, internationalen Warenverkehr zusammengetragen wurde.
Waffen sind technisch-materiell hochinnovative Apparate, die neben ihrem Hauptzweck – dem Töten von Menschen (und Tieren) – , aus der Nähe aber auch Distanz betrachtet, eine ambivalente Faszination auslösen (können). Vielerlei sozialpsychologische Aspekte zwischen Furcht, Macht und Ohnmacht bis hin zu Fetischisierung rekurrieren nicht nur auf den eingeschrieben Vernichtungswillen dieser Werkzeuge; auch deren ästhetische „Behauptung“, die in den Produkten zum Ausdruck gelangt, der Schauwert dieser Maschinen kann und soll verfangen. Die Präzision, das sichtbare Ringen um Perfektion, die Formvielfalt und Materialverbindungen, Oberflächengestaltung, Glanz, Glätte und Haptik ergänzen diesen Eindruck, so dass diese „pervertierten Accessoires“, diese ungenutzt abstrakt erscheinenden Objekte mehr oder weniger auffällig alle Bereiche auch der zivilen offenen Gemeinschaft medial oder physisch berühren bzw. durchdringen: in Waffenadaptionen als Kinderspielzeug, in computer-simulierten Kampfhandlungen, in der Bewaffnung der Polizei, in den Nachrichten aus aller Welt und eben in den Künsten, hier vor allem im Film und in der Literatur. Und natürlich in unserer Alltagssprache, in der beispielsweise der Begriff der Avantgarde auf Pionier*innen der Künste verweist, seinen Ursprung jedoch im französischen Militärwesen hat. Dass Bildende Künstler*innen auf diese Präsenz reagieren, sich diesem Phänomen annehmen, diesen Komplex untersuchen und befragen, verwundert somit nicht. Dass deren Annäherung eine kritische Fokussierung vornimmt, eher Fragen stellt als Antworten geben zu wollen, erscheint dabei als angemessene Herangehensweise.
Die von Torsten Mühlbach kuratierte Ausstellung zeigt einen Ein-, keinen Überblick künstlerischen Umgangs mit diesen martialischen Gegenständen. In der gesamten Breite künstlerischer Ausdrucksmittel, von raumgreifenden Mixed-Media-Installationen, teils kinetischen Objekten, Skulptur, Fotografie und Video, Malerei und Zeichnung bis hin zu performativen Ansätzen und Handlungsanweisungen an die Besucher*innen, entsteht ein Parcours (wieder so ein militärischer Begriff), dessen Exponate als visuelle „Hindernisse“ eine emotionale wie auch intellektuelle Auseinandersetzung einfordern; dabei wird dem „tragischen Hintergrund“ der WEAPON ART FAIR, trotz oder gerade wegen der „ernsten Lage“, auch das Moment des Komischen entlockt und dadurch die Perfidität des „Normalen“ im Umgang mit und in Anerkennung der Waffe als Ding an sich entlarvt.
Die künstlerischen Transformationen, Umwidmungen, Verweise und Überzeichnungen, der genuin künstlerische Blick auf Wesen und Wirkung der Distanz-Tötungswerkzeuge und ihre Verankerung im gesellschaftlichen Miteinander, die in dieser „Waffenkunstmesse“ zu entdecken sind, zur Schau gestellt werden, bieten den Besucher*innen die Möglichkeit, gefahrlos das eigene Verhältnis zur Waffe gerade auch im zivilen Umfeld zu reflektieren.
Text: Alexander Steig
Pressetext (ungekürzt) von Alexander Steig
Videodokumentation auf Youtube
Instagram Ausstellungsrundgang der Eröffnung